Eine wunderbare Grenzerfahrung
Auf dem „Iron Curtain Trail“ europäische Geschichte erfahren
Der „Iron Curtain Trail“ führt Radfahrer 200 Kilometer am ehemaligen Eisernen Vorhang entlang. Natur und Kultur an der österreichisch tschechischen Grenze sind eine Radreise mehr als wert.
Es gab Zeiten, da war hier nicht viel los: Am „Eisernen Vorhang“, da war es gefährlich und öd. Und: Es gab Zeiten, da war man als Radfahrer im hügeligen Waldviertel mit seinen vielen Anstiegen ein mutiger Exote. Nun, die Zeiten haben sich geändert! Radfahren ist der mit Abstand beliebteste Freizeitsport der Österreicher. Die weniger Konditionsstarken können mit dem E-Bike die Hügel salopp bewältigen. Die einst tote Grenze ist heute quicklebendig. Dort, wo früher meterhohe Stacheldrahtzäune das Passieren unmöglich gemacht haben, fährt man heute mit dem „Velo“ hin und her, und zwar am besten auf dem „Iron Curtain Trail“, kurz ICT.
Radweg der Rekorde
Der 10.400 Kilometer lange ICT (Eurovelo 13) bricht alle Rekorde. Er ist der längste Radweg Europas und führt vom nordnorwegischen Kirkenes bis zur bulgarischen Schwarzmeerküste – und ist damit ein Symbol für das vereinigte, friedliche Europa. Die abwechslungsreiche Route des Waldviertler Abschnitts wurde einheitlich ausgeschildert, Schautafeln und Rastplätze wurden errichtet. Der Radweg führt durch dünn besiedeltes Grenzland, durch Wälder und Felder, Dörfer und Märkte. Markante Orte entlang der Strecke sind Litschau, die nördlichste Stadt Österreichs, Slavonice, eine Kleinstadt mit pittoreskem historischem Stadtkern, das Stadtmauerstädtchen Drosendorf, der Nationalpark Thayatal und in Österreichs kleinste Stadt, Hardegg. Weiter wird die tschechische Kreishauptstadt Znaim passiert um schließlich in der Weinstadt Retz zu landen. Startort der Radreise ist Gmünd, das man ab Wien mit der Franz-Josefs-Bahn in rund zweieinhalb Stunden Fahrzeit erreicht.
Im hohen Norden Österreichs
Die erste Etappe führt über České Velenice, die tschechische Schwesterstadt Gmünds, in das stille böhmische Örtchen Nové Hrady, von dort über Phyrabruck zurück nach Österreich und durch hügeliges Terrain in die Kuenringerstadt Weitra. Tipp: Im Schloss ist die Ausstellung „Schauplatz Eiserner Vorhang“ untergebracht. Ab Weitra fährt man auf dem „Lainsitztaler Iron Curtain Trail“ flach zurück nach Gmünd – wo man den Naturpark Blockheide besuchen sollte. Danach geht es ab nach Litschau, Österreichs nördlichste Stadt. Die nächste Etappe ist voller Abwechslung: Kurz nach Litschau biegt der Eurovelo 13 nach Osten, führt zwischen Teichen, Wiesen und Feldern über das „Hanfdorf“ Reingers nach Tschechien. Vom ersten Ort jenseits der Grenze, Staré Mesto, kann man einen Abstecher zur hoch gelegenen Ruine Landstein wagen oder direkt nach Slavonice radeln. Der von Renaissance und Barockhäusern umstandene Stadtplatz mitsamt seinem wuchtigen Stadtturm ist ein Höhepunkt der gesamten Radreise.
Kleinode entlang der Strecke
Am Tag vier erobert man das Reich der Thaya und rollt über die Grenze bergab bis Gilgenberg und gelangt ins tschechische Písečné, kreuzt nach Süden, zur Thaya um schließlich das hoch über einer Thayaschlinge gelegene Stadtmauerstädtchen Drosendorf zu erklimmen. Der nächste Tag birgt bereits die nächste Herausforderung. Gleich Zweimal wird das steile Thayatal gequert um über Stalky nach Šafov zu gelangen und von hier geht es zurück über die Grenze zum Bergwerk-Badesee von Langau. Vorbei am Barockschloss Ruegers führt die Route durch Felling, den Ort mit der letzten Perlmuttdrechslerei Österreichs und weiter nach Hardegg im Nationalpark Thayatal. Die vorletzte Etappe des „ICT“ führt nun durch den böhmischen Teil des Nationalparks nach Čížov, wo beim ehemaligen Zöllnerhaus ein alter Grenzbalken, ein Rest des Grenzzaunes sowie ein Wachturm zu sehen sind. In Berg und Talfahrt geht es in die Kreisstadt Znaim, deren historisches Zentrum auf einem Felsplateau über der Thaya thront. Ab dort sind es nur noch 20 Kilometer bis zur Zieleinfahrt in die Windmühlenstadt Retz. Der Hauptplatz der Weinstadt mit dem stolzen, alten Rathaus, ist das Ziel unserer Iron-Curtain-Tour. Die Rückreise nach Gmünd auf diversen Waldviertler Radrouten ist sehr gut möglich. Aber auch die Heimreise per Bahn: Jede Stunde fährt ein Zug in Richtung Wien ab, die Fahrzeit beträgt lediglich 70 Minuten.